Besuch bei Wellhausen & Marquardt Mediengesellschaft
Datum: Sunday 19 June 2011 19:01:37
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Besuch bei Wellhausen & Marquardt Mediengesellschaft

Im Februar kam vom Verlag Wellhausen & Marquardt der Vorschlag, dass zwei Mitglieder des RCLine-Teams doch einmal den Verlag in Hamburg besuchen könnten und sich mal einen Tag anschauen, wie man in einem Verlag arbeitet und wie eine Zeitschrift entsteht. Dieses Angebot haben wir natürlich gerne genutzt, haben uns im April frühmorgens auf die Beine gemacht, in den Zug beziehungsweise ins Auto gesetzt und sind nach Hamburg gedüst. Damit ihr jetzt endlich auch was davon habt, hier unser Testbericht des Verlages Wellhausen & Marquardt.

Über den Verlag

Gegründet wurde der Verlag 1998 als „Schnappsidee” von Tom Wellhausen und Sebastian Marquardt mit Trucks & Details. Toms Idee, eine Zeitschrift für Modelltrucker zu gründen, hielt Sebastian, der mit Modellbau nichts weiter am Hut hatte, für vollkommenen Blödsinn, also etwas, wo man durchaus mal drüber nachdenken sollte. Auch bei der Deutschen Bank bedankte man sich nach der Vorstellung des Business Plans für das Gespräch und komplimentierte die beiden Jungs, die eine Nischenzeitschrift im Modellbausegment gründen wollten, heraus. Die erste Auflage von 120 Zeitschriften wurde noch vom Chef persönlich ausgeliefert, im Cabrio. Von diesem musste er sich aber bald trennen, ein Kombi wurde gebraucht. 1999 wurde das erste Büro angemietet, Sebastian Marquardt hat seinen Hauptberuf aufgegeben und 2000 folgte dann auch Tom Wellhausen in die Selbstständigkeit. Das Ladengeschäft, welches die beiden angemietet hatten war viel zu groß - man konnte darin bequem Bürostuhlballett aufführen.

Aber auch das änderte sich bald, Redakteure wurden eingestellt, Volontäre ausgebildet und übernommen, Graphiker kamen dazu und die Räumlichkeiten wurden schnell viel zu klein. Natürlich war das nicht alles der Erfolg von Trucks & Details - zwischenzeitlich sind noch Cars & Details, eine ganze Sammlung Drachenzeitschriften, Sonderveröffentlichungen und 2003 sogar ein Reiseführer dazugekommen.

2005 wurde dann Modell Aviator und 2007 RC-Heli Action gegründet, in den nächsten Jahren wurde das Portfolio noch mit Titeln aus dem „Kreativbereich” erweitert (Teddys und Puppen), mit 3D-Heli-Action und rc flight control kamen weitere Nischenzeitschriften dazu, die sich als erfolgreiche Ideen herausstellten. Apropos Ideen: Diesem Leitmotiv ist der Verlag treu geblieben, hat jemand eine Idee, und erscheint sie auch noch so abwegig, wird sie geprüft. Es wird dann erst einmal ein Sonderheft herausgegeben und schon ist eine neue Zeitschrift geboren. Und auch Videos zu den Artikeln, anfangs noch komplett amateurhaft, sind heute bei vielen Verlagen eine Selbstverständlichkeit.

Wie entstehen Artikel?

Wie aber entsteht eine Zeitschrift, oder besser gesagt, wie entsteht ein Artikel?
Stehen die Modellbaufirmen Schlange, um ihre Bausätze in Schleichwerbung verpackt vorgestellt zu bekommen?
Zum Glück für uns Leser nicht.

Als Autor bekommt man zwar das Modell gestellt und natürlich auch eine Bezahlung für den Artikel, schreibt aber unabhängig und ist dem Hersteller keine Rechenschaft schuldig. In der Regel wird nur bei Mängeln Kontakt zum Hersteller aufgenommen, ist es ein Montagsmodell, das man da erwischt hat, wo eine Bohrung am falschen Platz sitzt, oder ist es ein Fehler, der die ganze Serie betrifft? Oder hatte man sogar das Glück, ein Vorserienmodell zu bekommen, wo noch manche Ungereimtheit vorhanden ist, die in der Serie behoben wurde? Aber zurück zur Ursprungsfrage, wie entsteht ein Artikel? Nachdem das Modell in der Redaktion eingetroffen ist, wird es einem Autor zugeteilt und an diesen weitergeleitet. Er bekommt dann den Auftrag, das Modell zu bauen, zu testen, einen Bericht zu schreiben und, ganz wichtig, gute Bilder davon zu machen. Wenn dieser dann glaubt, seine Arbeit abgeschlossen zu haben, sendet er das Material an den Verlag, wo der Artikel jetzt von Hand zu Hand läuft, redigiert, Korrektur gelesen, nochmals redigiert, graphisch umgesetzt, ein weiteres Mal korrigiert und dann im Zweifel wieder komplett umgeschmissen wird.

Hier geht es jetzt erstaunlich analog von Statten: Jeder Artikel bekommt einen Laufzettel, auf dem von Hand eingetragen wird, wann er bei wem war und welcher Schritt erledigt wurde. So steckt dann in jedem Artikel ein Haufen Arbeit, sowohl von Seiten des Autors aus, als auch von Seiten der Redaktion. Wobei die Autoren noch das Harmloseste sind, laut eines Mitarbeiters, der vermutlich nicht namentlich erwähnt werden sollte, ist das Schlimmste, was einem Testmodell passieren kann, der Chef selbst...

Apropos schlimm: was ist, wenn ein Modell überhaupt nichts taugt? Dann erscheint es auch nicht in der Zeitung. Das führt auf den ersten Blick dazu, dass nur die tollen Supermodelle zu finden sind. Auf den zweiten Blick aber gibt es kaum ein Modell, was einfach wirklich nicht fliegt oder nicht zu gebrauchen ist, wenn man es aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet. Dass eine kleine Schaumwaffel bei Liebhabern von Großmodellen wenig Anklang findet ist klar, aber für viele Feierabendflieger ist diese unkomplizierte Art, sein Hobby zu genießen das Größte überhaupt. Auf der anderen Seite sind wohl die meisten Leser enttäuscht, wenn sie einen vier Seiten langen Artikel über ein Modell lesen, nur um dann am Ende festzustellen, dass es nicht fliegt.

Werbung

Wie finanziert man jetzt diese ganze Unternehmung?
Natürlich, durch den immens hohen Werbeanteil und die völlig überzogenen Preise am Kiosk. Oder so ähnlich.
Etwas Erstaunliches, was wir erfahren konnten, ist, wie viel man mit einem am Kiosk verkauften Heft verdienen kann: Nahezu nichts. Der Großhändler will davon leben, der Kioskbetreiber, und ein großer Teil der Hefte wird erst gar nicht verkauft, muss aber ausgelegt werden, um eine gewisse Präsenz zu erreichen. Schließlich soll der Stammkunde, wenn er bei seiner Schwiegermama zu Besuch ist, sich immerhin im nächsten Zeitschriftenladen mit sinnvollem Zeitvertreib eindecken können. Da sind Abonnements schon wesentlich besser: planbare Einnahmen und dank Direktvertrieb auch überschaubare Ausgaben. Aber auch das reicht noch lange nicht, um davon einen Verlag zu betreiben, von dem mittlerweile rund 30 Mitarbeiter und deren Familien leben können. Also muss jedes Heft zu einem gewissen Teil über Werbung finanziert werden. Diese Werbung umfasst ganze Seiten, halbe Seiten, viertel Seiten, kleine Anzeigen am Rande eines Artikels und dererlei mehr - aber keine Artikel selbst. Auch die „Marktneuheiten” geben die Hersteller oft nicht freiwillig preis, auch hierfür wird herumtelephoniert, gefaxt, gemailt und anschließend eine kurze Notiz daraus verfasst.

Résumé

Am Ende des Tages haben wir noch mit Tom Wellhausen und Christoph Bremer, dem Leiter der Redaktion und Graphik, zusammen gesessen und haben den Tag Revue passieren lassen. Es war spannend, zu sehen, wie die Redaktion arbeitet, auch die Entstehung eines „First Look” konnten wir beobachten, der Karton wurde von allen bewundert, das Modell zusammengesteckt (Männer tun so was selbstverständlich ohne Bedienungsanleitung) und photographiert, damit die Leser sich schon in der nächsten Ausgabe der Zeitung auf den Bericht freuen können. Anschließend dann wieder verpackt und zum Tester verschickt, auch wenn wir uns natürlich angeboten haben, diesen Part zu übernehmen. Mittags, als uns allen der Kopf rauchte sind wir sogar noch zum Fliegen gekommen - im Attrium des Redaktionsgebäudes. Ein Schelm, wer denkt, das diese Möglichkeit bei der Auswahl der Räumlichkeiten eine Rolle gespielt hätte...

Unser Testurteil: Die Jungs und Mädels vom Verlag Wellhausen & Marquardt sind schwer in Ordnung, ihre Zeitschriften zu lesen lässt ein wenig von der Freude an ihrer Arbeit erahnen. Uneingeschränkt empfehlenswert!

P.S.: Tom Wellhausen fährt heute wieder ein Cabrio


Das durchaus beachtliche Portfolio des Verlages Wellhausen & Marquardt


Die Anzeigenabteilung bei der Arbeit


Die Redaktion bei der Arbeit


Und der Chef bei der Arbeit...


Großzügige Testmöglichkeiten direkt im Haus


Wenn nur die Palme nicht wäre...


Es braucht schon einige Anläufe, bis das richtige Layout gefunden...


...und einige Durchgänge bis ein Artikel druckreif ist.


Eine letzte Kontrolle noch


Jetzt erst ist das Heft auf allen möglichen Vertriebswegen zu bekommen


Den brauchten wir zum Glück nicht!

AutorPhilipp Meyer
FotografThomas Pütter
UrheberrrechtAlle Bilder, Grafiken und Videos unterliegen dem Urheberrecht bei Thomas Pütter und RCLine GbR
RealisiertJuni 2011







Dieser Artikel kommt von RC Line Redaktion
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